Geschichte

Insel und Nordseeheilbad Norderney - ein Streifzug durch die Geschichte

Wellengang, Strömungen und der Wind waren die gestaltenden Kräfte, die vor 2000 Jahren aus einem Strandwall die Ostfriesischen Inseln entstehen ließen. Da noch unbefestigt, veränderten sie ihre Lage und Form anfänglich sehr stark. So hat sich die Insel Norderney im Verlauf von 300 Jahren (1650 – 1950) in ihrem östlichen Teil um mehr als 6 000 m erweitert.

In einem Lehnsvertrag aus dem Jahre 1398, abgeschlossen zwischen Herzog Albrecht von Bayern- der zugleich Graf von Friesland war - und den ostfriesischen Häuptlingen Widzel tom Brok und Folkmar Allena, werden die ostfriesischen Insel erstmalig urkundlich genannt. Zwischen Juist und Baltrum werden die Inseln „Burse“ und „Oesterende“ erwähnt. Es wird angenommen, dass sich aus dem Ostende der Insel „Burse“ (Buyze, Buise), die durch starke Sturmfluten im 14. Jahrhundert in zwei Teile zerbrach, die Insel Norderney entwickelte. Zunächst als „Ny norderoghe“ bzw. „Norderoog“ oder auch „Norder neye oog“ (d.h. Norder neue Insel) bezeichnet, setzte sich im 16. Jh. der wirkliche Inselname „Nordernei“ bzw. Norderney“ durch.  

Das Bild zeigt eine historische Zeichnung

Um 1550 lebten ungefähr 80 Personen auf der Insel, 1709 werden 304 Menschen und 54 Häuser genannt. Die Insulaner lebten vom Fischfang und verdienten an der Bergung von Strandgut.  Die Insel war Herrenland, ihre Bewohner der „privaten Disposition des Landesherrn“ unterworfen. Als dessen Vertreter übte ein Vogt die Verwaltung aus, der auch die Polizeigewalt besaß. Als markantes Merkmal für die Schifffahrt stand am Platz der heutigen ev.-luth. Kirche ein turmartiges Gebäude, welches den Einwohnern als Schutzraum bei Sturmfluten, als Fluchtraum bei Heimsuchungen durch Seeräuber, als Kirchenraum, vor allem aber als Lagerplatz für geborgene Strandgüter diente.

Im Mai 1797 bot der Vogt Johann Gerhard Feldhausen den ostfriesischen Landständen die Einrichtung eines privaten Seebades an. Auf Empfehlung des Medizinalrates Dr. Friedrich Wilhelm von Halem (1762 – 1835) beschlossen die Stände am 9. Juni 1797 auf Norderney ein öffentliches Seebad einzurichten, was durch König Friedrich Wilhelm II. von Preußen im Oktober genehmigt wurde. Die offizielle Eröffnung der Seebadeanstalt Norderney erfolgte zur Badesaison 1800. Bereits im Jahr zuvor war ein hölzernes, strohgedecktes Konversationshaus mit kleinem Kursaal und einer Billardstube errichtet worden, 1800 dann ein Warmbadehaus. 250 Kurgäste besuchten die Insel, deren Zahl bis 1804 auf 500 Gäste anstieg. 1806 wurde die Insel Teil des Königreiches Holland, 1810 dann Teil eines Departements des französischen Kaiserreiches. Norderney wurde zu einem Hauptstapelplatz des von Helgoland aus organisierten Warenschmuggels. Gegen den Schmuggel und zur Abwehr englischer Invasionsversuche wurde die Insel mit einer ständigen Besatzung von 300 französischen Soldaten belegt, die „Napoleonschanze“ errichtet und das Kurhaus als Kaserne und Magazin genutzt. Die Besatzungszeit führte zum Zusammenbruch des Norderneyer Kauffahrteihandels. Durch die Umstellung von der Netz- auf die Angelfischerei, dazu auch die Entwicklung eines neuen Schiffstyps –der Schaluppe-, gewann in den nachfolgenden Jahrzehnten der Schellfischfang immer mehr an Bedeutung. 1868 waren 76 Schaluppen auf der Insel beheimatet.

Ostfriesland und damit auch Norderney wurden 1815 Teil des Königreiches Hannover. Das Kurhaus wurde neu erbaut (1822) und erweitert (1840) und die Kuranlagen ausgedehnt. Von 1836 bis 1865 wählte der hannoversche Kronprinz Georg - ab 1851 König von Hannover – die Insel als Sommerresidenz. Zur Unterbringung der königlichen Familie wurde 1837 das Große Logierhaus (heute Kurhotel) errichtet. In den Folgejahren entwickelte sich das Seebad zum exklusiven Treffpunkt des Adels, der Diplomatie, der Kunst- und Geisteswelt. Die Zahl der Inselbesucher hatte sich bis zum Ende der hannoverschen Ära (1866) auf 3 110 erhöht, die Zahl der Einwohner war von 618 auf 1431 angestiegen.

Das Bild zeigt alte Bücher im Stadtarchiv

Ab 1866, nunmehr „Königlich preußische Seebadeanstalt“, profitierte das Seebad vom Gründerboom und entwickelte sich zum „Welt- und Modebad“. Durch den Sommeraufenthalt des Reichkanzlers Bernhard von Bülow stand das Seebad für ein Jahrzehnt im Blickfeld der Diplomatie und der deutschen Reichspolitik. Bis 1914 nahm die Einwohnerzahl auf 4261 zu, die Zahl der Kurgäste erreichte fast 40 000. Während des Ersten Weltkrieges wurde die Insel zu einer Seefestung ausgebaut und in Hafennähe entstand die größte Seeflugstation an der deutschen Nordseeküste. Erst 1936 konnten die Kurgastzahlen des Jahres 1914 wieder erreicht werden, darunter nun viele KdF- Urlauber. Während der Saison 1939 war deren Zahl auf 48 000 angestiegen, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. Vor größeren Luftangriffen blieb die Insel verschont. Im Mai 1945 den kanadischen Truppen übergeben, richtete die britische Besatzungsmacht auf Norderney ein Erholungszentrum (Leave Center) ein. Zugewiesene Flüchtlinge und Vertriebene ließen bis 1948 die Einwohnerzahl auf 8 127 ansteigen. Bereits 26 450 Besucher erholten sich auf der Insel. In diesem Jahr erhielt Norderney die Stadtrechte und 1949 die Anerkennung als Nordseeheilbad. 1959 wurden mehr als 100 000 Inselbesucher gezählt, deren Zahl bis heute auf mehr als 300 000 Besucher angestiegen ist. Mit mehr als 3,1 Mio. Übernachtungen zählt Norderney  zu den größten Fremdenverkehrsorten des Landes Niedersachsen und ist eines der größten deutschen Seebäder.

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