Jedes Jahr werden in Deutschland 720 Millionen Pfandflaschen im Wert von 180 Millionen Euro weggeworfen. Über 95 % davon landen im Müll und werden vernichtet oder gesammelt, der Rest landet in der Natur oder in unseren Meeren.
Auch auf Norderney werden Pfandflaschen und -dosen häufig achtlos weggeworfen oder in Müllbehältern entsorgt, was Pfandsammlerinnen und Pfandsammler dazu zwingt, darin zu suchen. Dies ist nicht nur unhygienisch, sondern birgt eine zusätzliche Verletzungsgefahr.
Deshalb plant die Stadt Norderney die Einführung von Pfandringen. Dies sind Vorrichtungen, die an öffentlichen Mülleimern befestigt werden, um Pfandflaschen und Dosen sichtbar und leicht zugänglich zu sammeln.
Das Ziel des Projektes ist die Nutzung der Synergieeffekte aus Umweltschutz und sozialem Engagement. Dies soll Pfandsammlerinnen und Pfandsammlern ermöglichen, ihre Tätigkeit sicher und hygienisch auszuüben, gleichzeitig die Umweltverschmutzung verringern und die Gefahr von Glasbruch minimieren.
Die aktuellen Ergebnisse der repräsentativen Pfandstudie von 2024, durchgeführt von der Initiative Pfand gehört daneben (fritz-kola) liefern hilfreiche Einblicke in die Lebensrealität der Pfandsammlerinnen und Pfandsammler in Deutschland. Demnach ist die Zahl der Pfandsammlerinnen und Pfandsammler seit 2021 kontinuierlich gestiegen. Der Hauptgrund für den Anstieg ist die steigende Inflation und die damit verbundene Erhöhung der Lebenshaltungskosten. Für jeweils rund ein Viertel der Befragten dient das Sammeln von Pfandflaschen als Ergänzung zum unzureichenden Einkommen, zur Aufbesserung der Rente oder zur Aufstockung staatlicher Unterstützung.
Die Demografie und Sozialstruktur auf Norderney haben sich in den vergangenen Jahren verändert: 25 % der Bevölkerung haben Migrationshintergrund, 21 % sind über 66 Jahre alt, viele davon finanziell bedürftig. Altersarmut und finanzielle Schwierigkeiten schränken ihre gesellschaftliche Teilhabe ein. Auf Norderney bietet die Hol di toi GbR eine Vielzahl von sozialen Dienstleistungen an, die überwiegend ehrenamtlich organisiert sind und sich an Menschen mit Unterstützungsbedarf richten. Das Geflüchteten-Netzwerk Norderney ist ein weiterer Bestandteil des sozialen Engagements auf der Insel. Auch die kommunale Gemeinwesenarbeit ergänzt die bereits vorhandenen Angebote und wirkt unterstützend. Der Bedarf an Sozialhilfe ist hoch, vor allem in den Bereichen Finanzen, Schulden, Rente, Bürgergeld, Wohngeld und Obdachlosigkeit. Im Jahr 2023 wurden 147 Beratungen dazu durchgeführt. Angebote wie Kleiderkammer und Flohmärkte der AWO sind stark gefragt. Dies verdeutlicht nicht nur das Ausmaß der (Alters-)Armut, sondern unterstreicht auch die dringende Notwendigkeit, verstärkt Maßnahmen gegen diesen Missstand zu ergreifen.
Doch nicht nur die ältere Generation greift auf die Methode des Pfandsammelns zur Aufstockung des Lebensunterhaltes zurück. Unter den Pfandsammelnden sind auch viele Kinder und Jugendliche, die ihr Taschengeld, Azubi-Gehalt oder monatliches Einkommen durch das Sammeln von Pfandflaschen und -dosen, vor allem während der Saison, zu Veranstaltungen wie White Sands oder Summertime ergänzen.
Im Jahr 2013 wurde die Idee anlässlich eines Antrags der Partei Bündnis 90/Grüne bereits verfolgt und nach einer sehr kurzen Testphase von lediglich zehn Tagen sowie einer Anzahl von zwei Pfandringen abgebrochen, da in den Flaschenhaltern vorwiegend anderer Müll wie Pizzakartons, Altkleider oder Zigarettenstummel abgelegt wurde. Dabei handelte es sich allerdings um ein anderes Modell, welches nicht eindeutig als Flaschensammelablage erkennbar war und zum Abladen von sonstigem Müll durch die große, nicht separierte Abstellfläche einlud.
Mit einem angepassten Modell sowie Hinweisen auf den Mülleimern selbst sollen die Pfandringe ab März/April an zehn ausgewählten Standorten für eine Saison getestet werden.